Es geht doch nichts über eine gute Erziehung. Ein elementarer Bestandteil der Erziehung unseres Sohnemannes hat etwas mit Morgenritualen zu tun. Einfach erklärt: Auch wenn du gerne schon um fünf aufstehst, wir möchten bitte etwas länger schlafen, also: immer schööön ruhig am frühen Morgen!
Ein beinah paradiesisches Gefühl schleicht sich gerade in meinen Bauch. Der Blick zur Uhr, es ist bereits halb acht, Benny hat sich zwischen uns gekuschelt und uns beiden jeweils einen dicken Guten-Morgen-Knutscher aufgedrückt. Herrlich. Die Welt ist wunderschön. Meine Frau und ich schauen uns in die Augen und wissen auch ohne Worte sofort, was der andere denkt: „Klappt doch super mit der Erziehung, oder?“ Es ist anfänglich nur der Hauch einer gewissen Vorahnung, als Benny plötzlich große Augen macht und uns stolz verkündet: „Ich habe sauber gemacht!“ Wie von der Tarantel gebissen, springen meine Frau und ich gleichzeitig aus dem Bett, um eine Etage tiefer zu schauen, was denn unser kleiner Putzteufel angerichtet hat.
Eventuell sind wir etwas zu fix unterwegs Richtung Bad, beide rutschen wir über den Flur und landen kurz vor der Badtür auf unserem Allerwertesten. Das komplette Ausmaß dieser morgendlichen Katastrophe wird uns erst bewusst, als wir das Flurlicht einschalten und die leere Vaseline-Creme-Dose entdecken. Der Inhalt befindet sich wohlverteilt auf dem Flurlaminat. Das muss man Benny lassen, wenn, dann richtig. Er steht hinter uns mit stolzer Miene und ist absolut überzeugt davon, dass er etwas Gutes getan hat.
Was will man als Papa nun sagen? Benny wollte uns nicht ärgern, ganz im Gegenteil. Ein kurzes Aufschreien unsererseits: „BENNY!!! Jetzt ist alles DRECKIG! Sowas machst du nie, nie wieder, hast du verstanden?“ Während Benny die Welt nicht mehr versteht, hocken meine Frau und ich, bewaffnet mit Küchenrolle und diversen Lappen auf dem Laminat und putzen. Und putzen. Und putzen. Eine halbe Stunde lang. Was für ein hoher Preis für Ruhe am Morgen.
Als das Laminat wieder entcremt und poliert ist, haben sich unsere Gesichter wieder etwas entspannt, ich glaub, ich habe meine Frau eben sogar mal kurz lächeln sehen. Jetzt noch fix Zähneputzen mit Benny und dann wird das ein guter Tag. „Schatz, hast du irgendwo Bennys Zahnpasta gesehen?“, höre ich aus dem Bad. „Nö“, rufe ich noch, während ich die Tube auf Bennys Kinderzimmertisch entdecke, auch sie ist leer. Die Zahnputzcreme hat sich irgendwie ebenfalls auf dem Kinderzimmerteppich breit gemacht. Was man erst bei genauerem Hinschauen feststellt, da es sich in Bennys Zimmer um grauweiße Auslegware handelt. Leichte Verzweiflung macht sich breit; man erkennt sie ganz gut daran, dass meine Frau und ich auch die nächste halbe Stunde auf Knien verbringen, um kopfschüttelnd und schweigend Bennys Teppich zu schrubben.
Es sollte noch ein guter Tag werden, aber davon waren wir noch meilenweit entfernt. Vorher schreiben wir gedanklich in großen Lettern an die Küchenwand: Absolute Ruhe ist immer verdächtig und alles was “glänzend“ macht, steht ab sofort ganz oben im Regal.