Jubiläum für ein "Wendekind"
Einen Monat vor der Wiedervereinigung, im September 1990, nahm die Freie Waldorfschule Magdeburg ihren Schulbetrieb auf. Vereinsgeschäftsführer Christward Buchholz war als junger Deutsch-Musik-Lehrer an der Gründung beteiligt.
Kathrin Singer
Freie Waldorfschule Christward Buchholz
Eine Initiative Waldorfpädagogik gab es schon in den 1980er Jahren, wie kam es zur Gründung der Schule?
Tatsächlich gab es in der DDR unter dem Dach der damaligen Christengemeinschaft großes Interesse an Waldorfpädagogik. Schule war allerdings Angelegenheit des Staates, deshalb ging das nur unter dem Dach der Kirche und in Form von Kleingruppenarbeit, Kinder- und Jahresfesten.
Das änderte sich mit der politischen Wende...
Richtig, der Ansturm bei unseren Veranstaltungen war plötzlich enorm, die Interessentenlisten füllten sich sehr schnell. Auch sehr viele Lehrer interessierten sich für Fortbildungen auf dem Gebiet der Waldorfpädagogik. Aus dem Kreis der damaligen Waldorfkurs-Teilnehmer an der pädagogischen Hochschule bildete sich dann das Gründungskollegium.
Was genau ist Waldorfpädagogik?
Der pädagogische Ansatz beruht auf der Lehre des Schulgründers Rudolf Steiner, hat sich über die Jahre aber natürlich weiterentwickelt. Die Waldorfschule spricht Kinder und Jugendliche als ganze Menschen an. Das heißt, die optimale kognitive Entwicklung ist eng verbunden mit motorischen und feinmotorischen Fähigkeiten. Deshalb die Verbindung von Naturwissenschaft mit Malen, Musik, Handarbeit, Handwerk und natürlich auch Eurythmie.
Welche Unterrichtsformen haben aus Ihrer Sicht mittlerweile auch Eingang in andere Schulen gefunden?
Was viele nicht wissen: Die koedukative Erziehung, das heißt Mädchen und Jungen bis zum Schulabschluss gemeinsam lernen lassen, ist 1919 von der Waldorfschule erstmals praktiziert worden. Auch die zu frühe Trennung der Kinder ab Klasse vier haben wir immer kritisiert. Jetzt gibt es Gemeinschaftsschulen, die alle Abschlüsse ermöglichen. Auch Projektarbeit und praxisorientiertes Lernen wie zum Beispiel über Betriebspraktika sind feste Bestandteile der Waldorfpädagogik.
Noten gibt es bei Ihnen erst in der Oberstufe? Schmälert das nicht die Motivation?
Das ist eine Frage der Konditionierung. Wenn alles nur auf die entscheidende Note hinausläuft und die Schüler es nicht anders kennen, wird das so sein. Unsere Kinder sind da sehr kritisch und merken sofort, ob ein Lehrer ihnen mit ganzem Herzen etwas vermitteln will. Aber davon abgesehen gibt es natürlich auch bei uns Feedbacks, die Schüler wissen genau um ihre Leistungen. Und regelmäßige Präsentationen ihrer Lernergebnisse vor Gleichaltrigen motivieren ebenfalls ungemein. (ks)
Freie Waldorfschule